Unverwüstlich
...ist ebenso unbeschreiblich wie nahezu nicht zu beschreiben
Peter Cornelius - Singer-Songwriter. Wikipedia hat nicht immer Recht. Dort wird der Mann als 'Liedermacher' geführt, was er in der Tat nie war. Keines seiner bisherigen 21 Alben kratzt auch nur an der Liedermacherei, sondern vielmehr an astreinem Pop und Rock. Sollte es für Peter Cornelius' Tun eine Bezeichnung geben, dann bitte einfach nur: Singer-Songwriter. John Lennon, Ray Davies oder wie sie alle hießen, die Freigeister die den jungen Cornelius in den Sixties beeinflussten. Sie alle waren keine Liedermacher. Sie schrieben Songs. Text. Musik. Arrangements. Gaben so lange keine Ruhe bis der Klang der Gitarre stimmte, die Groove vom Bass marschierte oder der richtige Sound aus den Drums knallte. Der Song als Ganzes, entstanden in seiner Heimatstadt Wien, auf Ibiza oder in New York, jener Stadt, in der er die Steckdose für seinen Stecker gefunden hat, wie er betont. Das kommt nicht von ungefähr, denn New York ist wie Peter Cornelius. Aufgewühlt, kreativ, dann wieder cool und lässig oder aber ebenso auch hart und voller Zorn. Nahezu all das genannte spricht auch aus seinen neuen Songs, die zum Teil auch in New York entstanden sind. Doch um sich den Songs nähern zu können, muss man sich dem Mann, dem Künstler öffnen:
Peter Cornelius kann auf eine atemberaubende Karriere zurückblicken. Mit erstem Erfolg im Gepäck in den frühen 80ern von Wien nach Frankfurt am Main gezogen und dort, mit Freund und Producer Michael Cretu, zahlreiche erfolgreiche Alben und Single-Hits geschaffen. Heute gehören Songs wie 'Der Kaffee ist fertig', 'Reif für die Insel' oder 'Du entschuldige i kenn di' längst in die Liga der Evergreens.
Peter Cornelius, im Zeichen des Wassermanns geboren und somit vom Leben mit einer großen Packung Freiheitswillen ausgestattet die ihresgleichen sucht. Zwischen den Zeilen, da schwamm der Mann immer schon gegen den Strom. "Reif für die Insel war nie ein Ferienlied", sagt Cornelius und ja, vielmehr war es die gesungene Botschaft ans zu Tode verwaltet werden und an ein Business, welches den Mann vor sich hertrieb, mit der Absicht ihn auszusaugen. In Zeiten des größten Erfolges, Alben in den deutschen Charts, in einer ewigen Singer-Songwriter Bestenliste noch vor Idol Bob Dylan liegend, mit einer Grammy-Nominierung versehen, kam sich der Wassermann wie in einem zu kleinen Becken vor. Wie in einem dieser Seaworld-Parks für Künstler. Komponiere und sing, Wassermann!
Der Rest der Geschichte ist kreative und künstlerische Entwicklung. Ein sich freispielen, gegen den Strom schwimmen, der Skepsis freien Lauf lassen und wenn sich Zorn dazu bahnbricht, dann hat das seine Gründe und der Singer-Songwriter nutzt dazu alle Möglichkeiten, die sich ihm bieten: Die Texte ebenso lyrisch wie direkt, dann wieder mit Metaphern versetzt. Die Musik hart bis psychedelisch. Dann die Gitarren. Jede Gitarre hat ihre eigene Persönlichkeit, ihre eigenen Schwingungen und ist daher für den Wassermann das entscheidende Instrument. Peter Cornelius ist darin ein ganz großer Könner, den Charakter der Gitarre mit dem Text und dem Thema des Songs perfekt auf eine Ebene zu bringen. Das ist eine große Gabe und sie hebt die Intensität seiner Songs auf ein Level, welches zuweilen Gänsehaut auslöst.
'Unverwüstlich' ist das 22. Album von Peter Cornelius. Der Albumtitel ist selbsterklärend. Cornelius, Jahrgang 1951, spricht von "Lebenstun", wenn er seine Arbeit meint. Andere in seinem Alter touren mit ihren Hits und 80er-Shows durch die Gegend. Auch gut. Aber das würde Cornelius nie machen, denn jedes neue Album ist ein weiterer Blick in sein Innerstes. Wie ein handgeschriebener Brief. Entsprungen aus Beobachtungen und persönlichen Erfahrungen. Unverständnis über herrschende Gegebenheiten sind da ebenso, wie die Aufarbeitung der eigenen Kindheit. Klar, live braucht es auch die Hits von früher, aber auch die klingen heute anders. Sie wirken wie von der Studio-Leine gelassen, freilaufend, sich austobend und mit der Kraft der Reife im Leben stehend.
'Unverwüstlich' ist ein unbeschreiblich intensives Album. Und: Es ist nahezu nicht zu beschreiben, schwer in Worte zu fassen und die Antwort des Kreativen auf unsere Zeit. Was er zu sagen hat, steckt in den Songs und die haben eine sehr eigene Wirkung: "Das Leben hat raue Haend, lass dir ja nicht ins G'sicht greifen", singt Cornelius und sagt damit alles, was gesagt werden muss, übers hier, heute, über uns, die wir in der ersten Reihe sitzen und so tun, als ob nichts wäre.
'Kinder spüren' - der Song ist eine klare Aufforderung an die Eltern an ihre Kinder zu denken, dann, wenn es zu Zank und Hader in der Beziehung kommt. Schon lange wollte Cornelius seine schwierige Kindheit zum Thema machen, aber erst der Tod der Eltern, ließ die Schranken fallen...
'Unverwüstlich' ist so unglaublich vielfältig, wartet mit psychedelischen Text- und Arrangement-Spielereien auf ('Times Square' - wie kommt der Mann auf solche Texte? Uhren, die sich am Times Square um die Herrschaft über die Zeit prügeln...), gibt in 'Wenn der Blues zu Besuch ist' einen nahezu körperlich spürbaren Eindruck wie es ist, wenn die Depression unangemeldet zu Besuch kommt, mit ihrer ganzen Macht auf den Menschen wirkt und wehren sinnlos ist. Reaktion? "Zorn, weil ich keine Lust habe Lebenszeit an diese Zustände zu verlieren", sagt Cornelius und weiß, dass selbst die ungezügelte Wut dem Blues kein Ende bereitet.
'Unverwüstlich' ist ein musikalischer Bogen, der mit den rauen Haenden beginnt und mit dem Song 'Bergauf' endet. Aufstehen. Weitermachen. Alles ist ein wenig so wie in seinem Metier. "Es ist, als wenn dir das Leben einen großen Aufziehschlüssel in den Rücken steckt", sagt Peter Cornelius. Seit über vierzig Jahren ist der Mann nun mit seiner Musik unterwegs und er kennt dieses 'Bergauf' nur zu gut.
"Ich bin ein unanpassbarer Widerständler", sagt er über sich selbst. Unanpassbar - was für ein Wort! Es ist ein klares Bekenntnis dazu, dass sich mit und in ihm, nie etwas ändern wird und wenn es darum geht herauszufinden, wie es in Peter Cornelius aussieht, dann legt er solche Songs vor wie sie sich auf 'Unverwüstlich' finden. 12 Songs auf dem Album - CD und Vinyl - und 19 auf der Limited Deluxe Edition, die sich sehr schwer beschreiben lassen, die es für Jede und Jeden selbst zu ergründen gilt. Gebrauchsanweisung braucht es dazu keine. Aber Mut und den Willen sich darauf einzulassen Texte zu hören, die man so nicht erwartet hätte. Devise Ohren auf und durch! Beobachtungen. Metaphern. Wahrheiten die man nicht hören will aber soll. Geile Riffs. Gitarrenklänge die ebenso unfassbar schön wie rotzig daherkommen. Und dann das: 'I denk an di' - ein einfacher Song dem jede Bitternis fehlt. Ein Mitsing-Titel. Eigentlich der programmierte Single-Hit. "Vielleicht wird das einmal eine Single, aber nicht jetzt. Das wäre zu einfach", sagt Cornelius, denn das Leben hat raue Haend und greift uns damit direkt ins Gesicht. Darüber sollten wir uns Gedanken machen. Mitsingen ist später...
Andy Zahradnik